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Studie: Apotheken in Westfalen-Lippe mit Nachwuchssorgen

Die Corona-Krise zeigt nachdrücklich, wie wichtig die wohnortnahe, flächendeckende Versorgung der Bevölkerung durch ein solides Netz von Apotheken vor Ort ist. Eine Konstellation, die zumindest in Westfalen-Lippe allerdings nachhaltig gefährdet ist. Zu diesem Schluss kommt eine im Auftrag des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) erstellte Studie des Instituts Arbeit und Technik (IAT), die am 22. Juni 2020 vorgestellt wurde.

Rund 2.000 Apotheken mit ca. 16.000 Mitarbeitern versorgen über acht Millionen Menschen in Westfalen -Lippe. Ohne sie wäre ein funktionierendes Gesundheitswesen in der Region gar nicht denkbar. Allerdings stehe die Branche und mit ihr „ein starkes Stück Mittelstand“ vor einem großen Umbruch, so Dr. Peter Enste, am IAT Direktor des Forschungsschwerpunktes Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität, der diese Entwicklung an drei Faktoren festmacht:

  • Trotz der großen Bedeutung von Apotheken für die Gesundheitsversorgung sinkt deren Zahl kontinuierlich. Waren es 2008 noch 2.232, beträgt ihre Zahl 2020 nur noch 1.859 Apotheken. Dies macht einen Rückgang von ca. 17 Prozent, der insbesondere in Ballungsräumen wie das Ruhrgebiet betrifft.
  • Gleichzeitig wächst der Bedarf an Arzneimitteln aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung. So wird laut Studie die Zahl der Arzneimittel-Tagesdosen bis zum Jahr 2040 in der Region um rund 12 Prozent steigen, insbesondere im ländlichen Raum.
  • Auch auf Angebotsseite macht sich der demografische Wandel bemerkbar. Ein großer Teil der Apotheker steht kurz vor dem Ruhestand. Nahezu jeder Dritte ist bereits älter als 60 Jahre alt, während nur knapp 10 Prozent unter 40 Jahre alt sind, eine Tendenz, die sich angesichts fehlender Nachwuchs- und Fachkräfte weiter zu verstärken droht – und dies bei einem geschätzten Bedarf von rund 3.600 Apothekern, die bis zum Jahr 2040 benötigt werden.

Bestand wahren, Nachfolge regeln, Versorgung sichern

Die Konsequenzen aus diesen Entwicklungen veranschaulicht eine Clusteranalyse, die die Region Westfalen-Lippe in drei Gebiete einteilt. Während es in den Ballungsräumen des Ruhrgebiets vor allem um die Sicherung des Apothekenbestands geht, sehen sich andere Kreise und Städte vornehmlich in Ostwestfalen mit dem Problem der Nachfolgeregelungen für Apotheken und der Bewältigung von Versorgungsengpässen konfrontiert. Im Kreis Gütersloh beispielsweise wird die Zahl der Bürger, die älter als 60 Jahre alt sind, in den kommenden Jahren um rund 35.000 Personen zunehmen. Um dies zu kompensieren, müssten allerdings 34 neue Apotheken entstehen. Eine schwierige Situation, in der Professor Josef Hilbert, ehemaliger Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Technik sowie Mitverfasser der Studie, das Beschreiten neuer Wege empfiehlt: „Wir brauchen mehr und vor allem eine andere Ausbildung. Wir brauchen den Versorgungsapotheker, der sich im Zusammenspiel mit den anderen Akteuren der Gesundheitswirtschaft ganzheitlich um den Patienten kümmert.“ Das Modell der integrierten Versorgung sei zwar schon lange im Gespräch, aber erst durch die aktuelle Situation „kommt hier Musik rein.“

Mit dem Aufbau der medizinischen Fakultät an der Universität in Bielefeld, die auch im Bereich Pharmazie Ausbildungsaufgaben übernehmen könnte, ergebe sich hier eine große Chance, zumal weitere Akteure aus der Region wie beispielsweise die Technische Hochschule Lippe und auch die Universität Münster als bislang einzige Ausbildungsstelle in Westfalen-Lippe in Gesprächen bereits ihre Unterstützung angeboten hätten. So könnte beispielsweise der Aufbau eines Ausbildungszweiges in Bielefeld in einer ähnlichen Größenordnung wie derzeit in Münster mit ca. 100 Absolventen pro Jahr schon ausreichen, um die dringend notwendigen, zusätzlichen Personalkapazitäten bereitzustellen.

Mehr Information: Download der Studie