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Schilde! - oder nicht?

Im Kampf gegen das Corona-Virus zählt die Produktion und Bereitstellung von Schutzausrüstung nach wie vor zu einem der wichtigsten Themen. Dabei rücken immer stärker innovative digitale Tools in den Vordergrund.

Vor allem das Instrument des 3-D-Drucks kann in der Krise eine wichtige Rolle bei der Versorgung mit medizinischen Materialien und Verbrauchsgegenständen spielen. So können dank der additiven Fertigung in relativ kurzer Zeit dringend benötigte Komponenten wie beispielsweise Atemmasken sowie Gesichts- und Augenschutze produziert werden. Zwar ist laut Uni.-Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann, Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung der RWTH Aachen IKV, noch keine echte Serienfertigung über dieses Verfahren möglich, dennoch könnten auf diesem Weg schnell und flexibel Prototypen und Kleinserien entwickelt und gefertigt werden. 

Schilde made in OWL

Angesichts noch bestehender oder in Zukunft wieder drohender Engpässe bei einzelnen Schutzausrüstungskomponenten vertrauen immer mehr Akteure auch in Ostwestfalen auf diese innovative Produktionsmethode. Besonders gefragt: So genannte Gesichtsschilde, die sich problemlos aus 3-D-Druckern herstellen lassen und eine sinnvolle Alternative zu den empfohlenen, aber oft nicht mehr verfügbaren Atem- und Schutzmasken aus Stoff und Gewebe sind. Um eine sinnvolle Alternative zu bieten, starteten in den letzten Wochen in der Region zahlreiche Initiativen. Der Bezirksverein Ostwestfalen-Lippe des Vereins Deutscher Ingenieurinnen und Ingenieure (VDI OWL) und  das FabLab I OWL der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) In Lemgo, die im Besitz entsprechender 3-D-Drucker ist, gingen  beispielsweise schon im März eine ehrenamtliche Kooperation ein, in die auch private Unterstützer eingebunden sind. Ziel ist die Produktion von desinfizierbaren, leicht zu reinigenden und langfristig wiederverwertbaren Gesichtsschildern und deren möglichst schnelle Verteilung an bedürftige Einrichtungen in Bielefeld und Ostwestfalen. In nur wenigen Wochen gelang es der Initiative, die Teil des Netzwerks „MakersVsVirus“ ist, alle notwendigen Prozesse aufzusetzen und die Abläufe vom Prototyp bis zur Serienreife zu etablieren. Bis Anfang Mai waren die ersten 300 Exemplare gefertigt, von denen schon 40 Exemplare an eine Alteneinrichtung und zwei Pflegedienste in Bielefeld übergeben wurden.

Die Nachfrage steigt

Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen mit dringend benötigter Schutzausrüstung zu versorgen, sind mittlerweile zahlreiche Universitäten, Hochschulen und Institute als so genannte „Maker“ in die Bresche gesprungen und produzieren entsprechende Kunststoffteile für Schutzschilde mit ihren 3-D-Druckern. Dazu gehört neben dem FabLab I OWL in Lemgo beispielsweise auch das Team des experiMINT Schüler*innenlabors der Fachhochschule Bielefeld. Aber auch Unternehmen aus der Privatwirtschaft und hier insbesondere dem Gesundheitssektor nutzen die Vorzüge des digitalen Wandels, um Produkte und Lösungen zu entwickeln, die Betroffenen in der aktuell schwierigen Situation helfen. Nicht immer im 3-D-Druck, aber oft unter Zuhilfenahme von digitalen Verfahren werden Schutz- und Verbrauchsmaterialien wie Atemschutzmasken, Maskenhalter, Gesichtsschilder und Schutzbrillen, aber auch Medizingeräte wie beispielsweise Beatmungsgeräte hergestellt. Vor allem die Nachfrage nach Schutzschilden wächst, sagt Gabriele Bunse, Geschäftsführerin von AKVIGO. Deren Unternehmen hat die sogenannte „CapMask“ entwickelt, die insbesondere von Angestellten in Pflege- und Altenheimen nachgefragt wird: „Mich erreichen nahezu täglich Hilferufe, weil das Personal vor Ort kaum noch über Schutzausrüstung verfügt. Darum haben wir auch so schnell reagiert und unser Produkt auf den Markt gebracht, das wir auch schon dem Bundesministerium für Gesundheit vorgestellt haben.“ Von einer ähnlichen Entwicklung weiß auch Sonopress-Geschäftsführer Sven Deutschmann zu berichten, dessen Unternehmen gemeinsam mit der Bertelsmann-Tochter Topac eine wiederverwendbare Schutzmaske entwickelt hat, bestehend aus einer klaren Polyester-Folie, einem Abstandshalter und eine verstellbaren Band. Für ihn besonders wichtig: Die mehrmalige Nutzungsmöglichkeit des Produkts: „Die Materialoberflächen lassen sich problemlos reinigen und erlauben so einen vielfachen Einsatz über mehrere Tage und Wochen hinweg.“ Bis zu 50.000 Masken pro Woche wollen die Gütersloher Unternehmen zukünftig produzieren.

Entweder oder – oder sowohl als auch?

Trotz dieser Erfolge: Einen Haken gibt es bei der Produktion von Schutzschilden aber doch, zumindest in Nordrhein-Westfalen. Hier hat das Gesundheitsministerium erst vor wenigen Tagen festgestellt, dass Visiere kein Ersatz für die textile Mund-Nase-Bedeckung sind, die in der Corona-Schutzverordnung vorgesehen sind. Zwar ist das Tragen der Schutzschilde erlaubt, allerdings lediglich als Ergänzung zur Maske, wie die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) mittlerweile bestätigt hat. Eine zumindest diskussionswürdige Entscheidung, kann das ganztägige Tragen einer Community-Maske nach Ansicht vieler Experten für Betroffene belastend bzw. im Einzelfall sogar gesundheitsgefährdend sein. Doch oft stehen Nutzern nur diese einfachen Stoffmasken zur Verfügung, da die medizinischen Nase-Schutz-Masken Pflege- und Klinikpersonal vorbehalten sind. Auch der Blick ins benachbarte Ausland lässt Fragen offen. So erlauben österreichische Einrichtungen und Betriebe wie beispielsweise die Technische Universität Graz oder die Wiener Verkehrsbetriebe ihren Mitarbeitern das Tragen von Schutzschilden und auch ohne Textilmaske.