Seit wenigen Wochen liegt der Abschlussbericht der Bürgerbefragung „Wie stellst Du Dir die Pflege der Zukunft in Bielefeld vor?“ vor, in den neben den Befragungsergebnissen auch die Resultate von Bürgerdialogen in fünf Bielefelder Stadtteilen eingeflossen sind. Wie wird es nun weitergehen in dem Prozess, der auf reges Interesse in der Bielefelder Bevölkerung gestoßen ist? Erste Antworten auf diese Frage lieferte ein Werkstattgespräch, das am 8. November 2023 auf Einladung der Initiative Open Innovation City und des Zentrums für Innovation in der Gesundheitswirtschaft (ZIG) in der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld stattfand.
Über 2.600 Personen haben sich mit dem Thema Pflege befasst und zumindest auf Website eingeloggt. Davon sind 1.485 Teilnahmebögen in die Auswertung eingeflossen. Für Prof. Dr. Ingo Ballschmieter, Dekan des Fachbereichs Wirtschaft an der FHM, eine herausragende Beteiligung, die zeigt, wie wichtig den Bielefelder Bürgerinnen und Bürgern das Thema Pflege ist. „Dieses Interesse ist, auch im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten, außergewöhnlich hoch. Erfreulich ist vor allem, dass sich viele junge Menschen eingebracht haben. Über die Hälfte der Befragten sind unter 40 Jahre alt. Dass zeigt doch, welches Potenzial in dem Thema steckt.“ Aufgabe der Initiatoren der Gemeinschaftsinitiative „Zukunftsbild Pflege“ sei es nun, die Vielzahl an Ideen und Impulsen, die aus diesem Projekt erwachsen sind, aufzugreifen und weiterzuentwickeln, ergänzte Uwe Borchers, Geschäftsführer des ZIG: „Welche Ideen können umgesetzt werden, und wie gestalten wir die vielen Schnittstellen in der Pflege besser? Das sind wichtige Prozesse, bei denen die Betroffenen auch stärker beteiligt sein sollten, und für die wir auch Strukturen verändern müssen.“
Bereitschaft zur Pflege ist hoch
Dr. Charlotte Şahin, Projektleiterin am ZIG, stellte in ihrem Vortrag die zentralen Ergebnisse der Befragung vor, die zum Teil überraschende Aussagen bereithält. Dazu gehört unter anderem die hohe Bereitschaft vieler der Befragten, selbst pflegerische Aufgaben und Tätigkeiten zu übernehmen, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen. Bei der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen wiederum kristallisiert sich der Faktor Zeit als das entscheidende Kriterium heraus. So wünschen sich viele Befragte für die Zukunft, dass das Personal mehr Zeitkapazitäten zur Verfügung hat. Charlotte Sahin: „Vielen Befragten ist gerade die persönliche Beziehung in der Pflege sehr wichtig. Dies ist auch einer der Gründe, warum besonders die stationäre Pflege oft mit Skepsis betrachtet wird.“ Dabei sind ältere Menschen technischen Neuerungen und Innovationen gegenüber durchaus offen, wenn es denn nicht zu Lasten des persönlichen Austausches geht. So ist die Beziehungsebene neben dem Wunsch, selbstbestimmt und selbständig zu leben, für viele Bielefelder Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Voraussetzung, um würdevoll zu altern.
Leistungen müssen auch finanzierbar sein
Nachvollziehbare und berechtigte Wünsche, die jedoch ohne die finanzielle Unterstützung der Krankenkassen als Hauptlastenträger in der Mehrzahl nicht umsetzbar sind, erläuterte Silke Aron, Amtsleiterin des Büros für Sozialplanung der Stadt Bielefeld, „und die haben aktuell ganz andere Sorgen.“ Zwar leiste die Kommune seit Jahren eine herausragende Quartierssozialarbeit, böte Pflege- und Wohnberatungsleistungen an und unterhalte mehrere Service- und Begegnungsstätten, doch beim Thema Pflege käme die Stadt trotz der inzwischen erfolgten Implementierung des Bielefelder Pflegegipfels als Prozess an ihre Grenzen. „Nur als Verantwortungsgemeinschaft, zu der dann auch die Kassen gehören, werden wir dieses große und wichtige Thema lösen können.“ So gäbe es auch schon eine Reihe von Plänen und Überlegungen, die auf dem zweiten Pflegegipfel Anfang 2024 vorgestellt werden sollen.
Dann dürfte das Thema Prävention, das in der abschließenden Diskussion des Werkstattgesprächs in den Mittelpunkt rückte, auch wieder auf der Agenda stehen. So ist für Heidemarie Schmidt vom Bielefelder Seniorenrat das frühzeitige Vorbereiten auf das Älterwerden ein zentraler Ansatzpunkt, um das Thema Pflege in der Stadtgesellschaft weiterzuentwickeln. „Dafür bräuchten wir aber auch mehr Möglichkeiten, bereits existierende Angebote bekannter zu machen“, und in der Information und Kommunikation sieht sie noch Verbesserungsmöglichkeiten. Ein Ansatz, der von Gisela Krutwage, Leiterin des Amts für soziale Leistungen der Stadt Bielefeld, begrüßt wird: „Die Befragungsergebnisse zeigen ja, dass die Bürgerinnen und Bürger auch im Alter fit und gesund bleiben wollen. Dafür brauchen sie aber auch entsprechende, niederschwellige Angebote, die sie nutzen können. Hier müssen wir sehr viel stärker als bisher präventiv mit den Menschen arbeiten.“
Weitere Informationen: wir-gestalten-bielefeld.de
Quelle: ZIG OWL / OIC