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Digitale Medizin: Das HDZ NRW ist Teil des Virtuellen Krankenhauses NRW.

Digitale Medizinanwendungen machen es möglich, Expertise unmittelbar und im persönlichen Austausch mit anderen zu teilen. Beispielhaft für diesen innovativen Ansatz steht das Virtuelle Krankenhaus (VKh.NRW), ein im Jahr 2019 vom nordrhein-westfälischen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann initiiertes Projekt.

Über dieses sektorenübergreifende, telemedizinische Netzwerk können Ärzte und medizinisches Personal bei besonders komplexen Fragestellungen Telekonsile durchführen, Fachfragen klären, ärztliche Ressourcen nutzen sowie Daten und Informationen sicher austauschen. Zusätzlich zu den 2020 an den Unikliniken Aachen und Münster gestarteten Beratungsangeboten zu schwerstkranken Covid-19-Patientinnen und Patienten kann über die digitale Plattform jetzt auch erstmals zu schwerer Herzinsuffizienz fachliche Expertise eingeholt werden – und zwar bei der auf diese Fragen ausgewiesenen Spezialklinik, der Universitätsklinik Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen.
Trotz der erst kurzen Praxisphase fällt die Zwischenbilanz von Dr. Karin Overlack, Geschäftsführerin von Deutschlands größtem Herztransplantationszentrum (500 Betten, 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) positiv aus: „Auch wenn wir bei dem ein oder anderen Thema noch einige Arbeit vor uns haben, sind wir mit dem bisher Erreichten sehr zufrieden. Vor allem sehen und erfahren wir tagtäglich den großen Nutzen, der sich aus diesem Ansatz für die Patienten und Beschäftigten ergibt, und dies in allen Bereichen der medizinischen Versorgung.“

Pandemie sorgt für Verzögerungen
Der Entschluss, das Thema Digitale Medizin am HDZ NRW zu forcieren und Mitglied im VKh-Netzwerk zu werden, stand schon vor drei Jahren fest. Über die ersten Monate liefen die umfangreichen Vorarbeiten noch nach Plan, doch dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr erhebliche Verzögerungen im Implementierungsprozess. Für Karin Overlack und ihr Team kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. „Natürlich war das ärgerlich, aber wir haben das Beste aus der Situation gemacht. So können wir von den Erfahrungen der Universitätskliniken Münster und Aachen profitieren, die bereits 2020 die zur Verfügung stehenden Instrumente der digitalen Medizin des VKh, für die Behandlung von COVID19-Patienten nutzbar gemacht haben und seither weiterentwickeln. Dabei haben wir viele wertvolle Erfahrungen sammeln können, die in die weitere Prozessentwicklung eingeflossen sind und von denen wir heute profitieren.“

 

Aktuell werden die Instrumente des Virtuellen Krankenhauses in Bad Oeynhausen für Patienten mit schwerer, therapierefraktärer Rechts- und Linksherzinsuffizienz eingesetzt. Eine Fokussierung, die durchaus im Sinne der Initiatoren des Modells ist, erläutert Karin Overlack: „Das Modell des Virtuellen Krankenhauses wurde entwickelt, um über digitale Anwendungen wie beispielsweise der Telemedizin fachärztliche Spezialexpertise in die Fläche zu bringen und Ärzten und damit deren Patienten im ganzen Land zugänglich zu machen. Getreu dieser Zielsetzung kümmern sich die Kollegen an den Universitätskliniken in Aachen und Münster heute um die COVID-Fälle, während wir im Netzwerk der zentrale Ansprechpartner für das Thema Herzinsuffizienz sind. Eine Arbeitsteilung, die sich entlang der speziellen Fachexpertise der teilnehmenden Universitätskliniken des VKh orientiert.“

Prozesse wurden erfolgreich installiert

Noch ist die Vorstellung einer landesweiten volldigitalisierten und komplett transparenten Medizin mit automatisierten Diagnose- und Frühwarnsystemen sowie automatisierten Prozessen eine Vision. Die VK- Prozesse laufen aber schon heute reibungslos und effektiv ab. Im Falle einer Anfrage an das HDZ NRW bindet ein Case Manager nach der Prüfung der Unterlagen auf Vollständigkeit die benötigten Experten aus den verschiedenen Fachgebieten ein und koordiniert in der Folge deren Rückmeldungen. In einer interdisziplinären Fallkonferenz bespricht das Expertenteam den Fall und trifft eine Konsensentscheidung. Ein ärztlicher Koordinator stellt anschließend den Befund in die Fallakte ein, die für alle Prozessbeteiligten zugänglich ist. Bei Bedarf kann darüber hinaus ein Telefonat oder eine Videokonferenz mit Teilnehmern des Konsils durchgeführt werden. „Dank dieser und vieler anderer digitaler Anwendungen profitieren schwer herzkranke Menschen in der Diagnostik, der Behandlung und Therapie von dieser Versorgungsqualität, ohne dass sie in ein anderes Haus verlegt werden müssen“, erläutert Karin Overlack das Modell des VKh, dessen Wirksamkeit sich auch mit Zahlen belegen lässt: So kann gemäß der aktuellen Studienlage dank telemedizinischer Anwendungen bei Herzinsuffizienz die Mortalität der Patienten um 20-56 Prozent und die Hospitalisierungsquote um 21-58 Prozent reduziert werden. Zudem sanken die Gesamtbehandlungskosten um bis zu 6.800 Euro pro Person.
Dennoch dürfte es noch einige Zeit dauern, bis sich das Virtuelle Krankenhaus etabliert hat und zu einem festen Bestandteil der Regelversorgung geworden ist. Auch Karin Overlack sieht trotz aller Begeisterung noch Verbesserungsbedarf: „Insbesondere bei der Ausgestaltung der IT-Infrastruktur müssen wir noch besser werden. Auch beim Versand großer Datenmengen, beispielsweise bei Detailabbildungen mit hoher Auflösung, muss diese Technik zuverlässig und sicher abgerufen werden können.“ Darüber hinaus gelte es auch, die Verfügbarkeit der Patientendaten weiter zu optimieren bzw. effizienter zu gestalten: „Wir wollen im HRZ NRW die Vision einer optimalen Prozess- und Behandlungsqualität realisieren. Dies klappt natürlich nur, wenn wir frühzeitig alle notwendigen Daten und Informationen vor Ort haben.“

Auch in der digitalen Medizin bleibt der Mensch im Mittelpunkt

Unabhängig davon gewinnen am HDZ NRW digitale Medizinanwendungen weiter an Bedeutung. Ob die optimierte Steuerung von Betreuungsinhalten und -intensität durch Algorithmus-basierte Indizes, neue Möglichkeiten in der Behandlung von diabetischer Retinopathie oder die Verminderung postoperativer Komplikationen beim postoperativen Delir mittels künstlicher Intelligenz – digitale Tools verbessern Früherkennung und Diagnostik, ermöglichen eine zielgerichtete Prävention, erhöhen die Prozessgeschwindigkeit und schaffen neue Möglichkeiten in der Behandlung und Versorgung. Gleichzeitig sind sie Basis für neue innovative Ansätze wie beispielsweise das Modell des digitalen Zwillings, eine Simulation, die derzeit am HDZ NRW entwickelt wird. Angesichts der Vielfalt und Variabilität der Anwendungen ist Karin Overlack von der Wirksamkeit der digitalen Medizin überzeugt, wenn auch mit einer kleinen Einschränkung: „Natürlich bietet uns die Digitalisierung in der Gesundheitsbranche enorme Möglichkeiten, die wir zum Nutzen unserer Patienten einsetzen sollten. Dennoch brauchen wir, trotz aller Technologie, immer noch Menschen, die sich um die Patienten kümmern. Zum Glück haben wir solche Mitarbeiter bei uns im Team. Es ist aber erst diese Verbindung von digitaler Technik und persönlicher Kompetenz, die digitale Medizin für uns so wertvoll macht.“

Link: Herz- und Diabeteszentrum NRW
Text: Christian Horn

Digitale Medizin in Westfalen

Mitte März hatte das ZIG OWL mit dem Westfalen e.V. zur Online-Veranstaltung „Digitale Medizin in Westfalen“ eingeladen. Die erfolgreiche Veranstaltung hat gezeigt, in welchen Bereichen digitale Medizin an Bedeutung gewinnt. Innovative Ansätze wie die Digitalisierung klinischer Studien, die digital unterstützte Versorgung von Demenzpatienten, telemedizinische Anwendungen im ländlichen Raum, das virtuelle Krankenhaus NRW oder die digitale Betreuung herzkranker Menschen werden nach und nach Teil der medizinischen Regelversorgung, auch wenn manche Entwicklung noch in den Anfängen steckt.

Wir dokumentieren in unserer kleinen Serie „Digitale Medizin“ die spannenden Vorträge mit ihren innovativen Inhalten. Jenseits der Fachinformation zeigen die Beiträge der Veranstaltung, wie gut die Region schon heute bei diesem Zukunftsthema aufgestellt ist und mit wie viel Engagement die beteiligten Einrichtungen und Akteure die Entwicklung der digitalen Medizin nach vorne treiben, geleitet von dem Ziel, den größtmöglichen Nutzen für Patientinnen und Patienten oder Betroffene herzustellen.

Wir stehen gern für Ihre Fragen und Hinweise zu Verfügung. info(at)zig-owl.de