In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen fehlt das Personal, die Pflegekräfte sind am Limit, und auch die pflegenden Angehörigen sind überlastet. Die Bundestagsabgeordneten Britta Haßelmann und Kordula Schulz-Asche von Bündnis 90/Die Grünen informierten sich am 8. Dezember 2022 beim Besuch mehrerer Einrichtungen in Bielefeld über die Situation vor Ort und über interessante regionale Lösungsansätze.
Das Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen-Lippe (ZIG) hatte die Fraktionsvorsitzende und die pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann und Kordula Schulz-Asche, zu einem Ortstermin eingeladen. Auf dem Programm standen das Bielefelder Modell, die Pflegesituation im Krankenhaus und ein Besuch im neuen Pflegezentrum Haus Hannah der Altenhilfe Bethel. Am Nachmittag ging es beim Podiumsgespräch darum, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege besser gelingt. Die beiden Bundestagsabgeordneten zeigten sich beeindruckt von den Gesprächen mit den Fachleuten aus der Bielefelder Gesundheitswirtschaft: Die Vernetzung der Akteure im Gesundheitssystem auch auf der kommunalen Ebene sei eine vordringliche Aufgabe, und da sei die Region OWL ein starkes Vorbild. Immer gehe es darum, tragfähige Lösungen für die Menschen vor Ort zu entwickeln. Dementsprechend positiv bewertete Kordula Schulz-Asche den Besuch in Bielefeld: „Gespräche wie heute liefern gute Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart und sind auch deshalb enorm wichtig für uns. Hier bekommen wir die Impulse und Rückmeldungen, die wir in Berlin in die politische Debatte einbringen können.“
Das abwechslungsreiche Besuchsprogramm informierte über die örtliche Stadtteil- und Quartiersarbeit, über Erfahrungen mit neuen Versorgungsformen wie den Patientenlotsen und dem Gesundheitskiosk sowie dem GesundZentrum Bielefeld. Insbesondere das Bielefelder Modell für Wohnen im Alter mit Versorgungssicherheit ist weithin bekannt als Innovationsprojekt. An dem Beispiel wurde im Fachgespräch der Vertreterinnen und Vertreter der Gesundheitseinrichtungen mit den Parlamentarierinnen aber auch deutlich, dass die Bedingungen für auskömmliche Finanzierung solcher Modelle ebenso wie für die Pflegeversorgung auf kommunaler Ebene verbessert werden müssen. Für Uwe Borchers, Geschäftsführer des ZIG, eine zentrale Botschaft in Richtung Politik: „Wir konnten unseren Gästen zeigen, dass es hier vor Ort sehr gute Initiativen und Versorgungsangebote gibt, die lohnenswert sind, weiter verstärkt zu werden. Aber die aktuellen Herausforderungen sind erheblich und bringen alle Beteiligte an Grenzen. Deshalb brauchen wir weitere pflegepolitische Impulse für eine Entlastung und Neustrukturierung in der Pflege.“
Entlastung auch durch Digitalisierung in der Pflege
Zahlreiche Einrichtungen in der Altenpflege gehen inzwischen auch neue Wege beim Einsatz digitaler Technik. Welche Möglichkeiten sich hier bieten, zeigte den Gästen aus Berlin Einrichtungsleiterin Birgit Michels-Rieß im Pflegezentrum Haus Hannah der Altenhilfe Bethel. Die im Mai 2022 eröffnete Einrichtung, die auf drei Etagen 80 Pflegeplätze bietet, setzt nicht nur auf ein gemeinwohlorientiertes Betreuungskonzept, sondern auch auf digitale Assistenztechnologien zum Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner und zur Entlastung des Pflegepersonals. Eine hochmoderne Sensortechnik gehört ebenso zur Ausstattung wie innovative Beleuchtungssysteme und nutzerfreundliche Anwendungen aus dem Bereich Smart Home. Trotz der durchaus großen Brandbreite an technischen Möglichkeiten setzt Birgit Michels-Rieß mit Blick auf die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner auch klare Grenzen: „Wir reduzieren die Anwendungen auf das, was für unsere Bewohner hilfreich ist, damit sie am alltäglichen Leben teilhaben können, beispielsweise, wenn sie den Gottesdienst in der Abendfrieden-Kapelle via Fernsehen in Bild und Ton auf ihrem Zimmer verfolgen können.“ Für die Mitarbeitenden sieht sie den Nutzen der Technik, die dadurch in ihrem Arbeitsalltag entlastet werden. Allerdings gebe es nach wie vor großen Optimierungsbedarf, beispielsweise wenn es um die Schnittstellen zu anderen Gesundheitsdienstleistern und die übergreifende Integration der Systeme geht.
Pflegende Angehörige besser unterstützen und stärken
Weitere pflegepolitische Impulse gab es im Tagungszentrum Bethel von den rund 50 Gästen der Podiumsdiskussion „work & care: Beruf und Pflege besser vereinbaren“. Kordula Schulz-Asche, ordentliches Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag, lenkte in ihrem einleitenden Vortrag den Blick auf die Stärke der Kommunen bei der Versorgung der Menschen vor Ort. Die Diskussion mit den Fachleuten sowie Bürgerinnen und Bürgern zeigte schnell auf, welch hoher Handlungsbedarf nicht nur in Pflegeeinrichtungen, sondern insbesondere bei pflegenden Angehörigen herrscht. Eine Herausforderung, der sich nach Ansicht von Kordula Schulz-Asche nicht nur Kranken- und Pflegekassen stellen müssen: „Die Unterstützung der pflegenden Angehörigen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht. Dazu gehört auch, dass das Thema Pflegebedürftigkeit nicht mehr verdrängt bzw. ignoriert wird, was heute leider noch allzu oft der Fall ist. Hier müssen wir endlich eine ehrliche Diskussion führen, wenn wir dieses wichtige Thema zu einer guten Lösung führen wollen.“