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Aus OWL in den Rest der Republik: Patienten-Lotsen helfen bald bundesweit

Nach dem Vorbild der Schlaganfall-Lotsen sollen bald alle Menschen mit schweren Erkrankungen Unterstützung erhalten. Dafür fließt sehr viel Geld nach OWL.

Bei medizinischen Notfällen organisieren die Leitstellen der Rettungsdienste schnelle Hilfe. Doch was passiert nach der Akutversorgung im Krankenhaus? Viele Menschen finden sich in dem immer komplexer werdenden Gesundheitssystem nicht zurecht. In der Folge kommt es nach schweren Erkrankungen häufig zu Rückfällen, erneuten Klinikaufenthalten und damit zu viel Leid. Um das zu verhindern plant die Bundesregierung die Einführung von Patienten-Lotsen als Begleiter für schwerkranke Menschen. Entwickelt wird die neue Hilfe in OWL, nach dem Vorbild der Schlaganfall-Lotsen. „Wir schaffen Leitstellen für die Nachsorge“, verspricht Michael Brinkmeier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.


In den kommenden vier Jahren wird die Stiftung das neue Modellprojekt „Lex Lotsen OWL“ mit den sechs Kreisen und der Stadt Bielefeld sowie den Krankenkassen umsetzen, um herauszufinden, wie der Einsatz von Patienten-Lotsen am besten zu organisieren ist. Plan der Schlaganfall-Hilfe ist es, ein Zwischenergebnis bis Mitte 2025 vorzulegen, damit die Bundesregierung eine gesetzliche Lösung finden kann. Für die Modellregion OWL stellt der Bund sieben Millionen Euro zur Verfügung.


„Das Vertrauen der Politik und der Krankenkassen zeigt, dass die Lotsen in OWL überzeugt haben und darauf sind wir sehr stolz“, sagt Brinkmeier. Das Besondere an dem Projekt: „Wir müssen nicht erst theoretische Konzepte entwickeln, sondern dürfen sofort praktisch arbeiten und ausprobieren, wann, wo und wie wir Patienten-Lotsen am besten einsetzen.“ Brinkmeier geht davon aus, dass in fünf bis zehn Jahren jeder Patient in Deutschland, der nach einer schweren Erkrankung einen Lotsen benötigt, auch einen bekommen wird. „Wir arbeiten solange weiter, bis wir dieses Ziel erreichen und sind sehr dankbar, dass uns unsere vielen Partner im Gesundheitssektor in OWL dabei unterstützen.“

 

75.000 Patienten werden bereits von Lotsen begleitet

Bundesweit werden dank des Engagements der Schlaganfall-Hilfe bereits 75.000 Patienten nach schweren Erkrankungen in Modellprojekten durch Patienten-Lotsen begleitet. Allerdings nicht nur nach Schlaganfällen, sondern auch nach Herz- und Krebserkrankungen. „Unabhängig von der Erkrankung ähneln sich 80 Prozent der Lotsentätigkeit, trotzdem ist es wichtig, dass sich die Lotsen auf Erkrankungen spezialisieren, um bestmöglich versorgen zu können“, erklärt Brinkmeier. „Lotsen kommen aus der Pflege und anderen Bereichen des Gesundheitssystems und werden für ihre neue Aufgabe geschult.“

Michael Brinkmeier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. - © territory Gütersloh / Jörg Sänger

Michael Brinkmeier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. - © territory Gütersloh / Jörg Sänger

Die wissenschaftliche Evaluation des Projekts der Schlaganfalllotsen in OWL, die allein zwischen 2017 und 2021 insgesamt 2.000 Schlaganfall-Patienten in der Nachsorge betreut haben, ist laut Brinkmeier zwar noch nicht abgeschlossen. „Doch wir wissen aus Befragungen, dass die Betreuung bei Patienten zu mehr Lebensqualität führt und das Vertrauen in das Gesundheitssystem wächst. Zudem treten nach leichten Schlaganfällen weniger Rezidive auf.“ Darüber hinaus konnten laut Brinkmeier auch schon andere Projekte zeigen, wie wichtig der Einsatz von Lotsen bei komplexen Erkrankungen ist.

 

Weniger und kürzere Klinikaufenthalte

So zeigt die Auswertung des Projekts der Cardio-Lotsen in Berlin nach Angaben der Technischen Universität München, dass die Zahl der Wiedereinweisungen in Krankenhäuser für herzkranke Patienten signifikant reduziert wird, wenn sie von Lotsen betreut werden. Auch die durchschnittliche Verweildauer in Kliniken sei deutlich geringer als bei Patienten ohne Lotsen. „Das zeigt, dass von Lotsen nicht nur Patienten profitieren, sondern auch Kosten reduziert werden können“, sagt Brinkmeier. „Zudem profitieren auch Kliniken, Arztpraxen und die vielen weiteren Akteure im Gesundheitssystem, wenn Patienten besser versorgt werden und sie sich in dem Versorgungsdschungel besser zurecht finden.“

Brinkmeier geht zudem davon aus, dass die Einführung der Patienten-Lotsen die Pflege stärken wird. „Wir erhalten viele Bewerbungen, weil sich insbesondere für Pflegekräfte neue berufliche Perspektiven ergeben. Das ist wichtig für erfahrene Mitarbeiter, wenn deren Kräfte nachlassen. Aber ebenso für Berufseinsteiger, die so wissen, dass auch im Alter noch berufliche Veränderungen möglich sein werden.“

Dabei geht es laut Brinkmeier nicht um das Abwerben von Fachkräften aus Pflegeheimen oder anderen Einrichtungen. „Vielmehr entlasten Lotsen Pflegekräfte. So werden künftig auch in der Pflege Kräfte freigesetzt.“

Quelle: Neue Westfälische