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Welche Auswirkungen die neue Medizin-Fakultät auf ganz OWL haben wird

Bielefeld. Mit dem Aufbau der ersten medizinischen Fakultät in Ostwestfalen-Lippe krönt die Universität Bielefeld in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Verbunden ist diese Krönung mit den Hoffnungen einer ganzen Region, die mit der Medizin-Fakultät eine Aufwertung des Standorts Ostwestfalen-Lippe und Verbesserungen in der medizinischen Versorgung verbindet. Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt ist sich sicher, dass nicht nur der Gesundheitssektor von der neuen Medizin-Fakultät profitieren wird. „OWL wird durch die medizinische Fakultät der Universität Bielefeld erheblich aufgewertet", sagt der Bielefelder Allgemeinmediziner, der seit Mai an der Spitze der Bundesärztekammer steht.

Patientenversorgung in der Region

Keine Region Deutschlands ist so dünn mit Hausärzten ausgestattet wie Westfalen-Lippe. Auf 100.000 Einwohner kommen im Durchschnitt gerade einmal 59,9 Hausärzte. Zum Vergleich: In Hamburg sind es 74,1 pro 100.000 Einwohner. Mit Blick auf die Altersstruktur der niedergelassenen Allgemeinmediziner droht eine deutliche Verschärfung des Ärztemangels, unter dem vor allem Bewohner der ländlichen Teile Westfalen-Lippes bereits jetzt leiden. In den Krankenhäusern steigt parallel die Zahl ausländischer Ärzte, in manchen Regionen liegt der Anteil mittlerweile bei 80 Prozent. Um dem Ärztemangel in OWL anzugehen, hat die NRW-Landesregierung zusätzliche Studienkapazitäten in der Medizin geschaffen und die Universität Bielefeld mit dem Aufbau einer medizinischen Fakultät beauftragt.

Für Reinhardt war das eine wegweisende Entscheidung. „Es ist richtig und wichtig, das OWL endlich auch eine Medizin-Fakultät bekommt. Die medizinische Versorgung ist aktuell zwar gut, aber mit Blick auf einen sich verstärkenden Ärztemangel, vor allem im niedergelassenen Bereich, wird die Medizin-Fakultät die Versorgung sichern und letztlich auch verbessern", sagt Reinhardt. Der Allgemeinmediziner ist davon überzeugt, dass der sogenannte Klebeeffekt auch in OWL Wirkung zeigen wird, weil sich viele Medizin-Studenten in der Region niederlassen, in der sie auch ausgebildet wurden. „In Westfalen-Lippe gibt es deutlich weniger medizinische Fakultäten als im Rheinland, was dazu geführt hat, dass im Rheinland, auch deutlich mehr Mediziner arbeiten. Der Klebeeffekt ist wissenschaftlich belegt."

Das Beispiel Münster zeigt laut Reinhardt, wie wichtig eine Medizin-Fakultät für eine hohe Arztdichte hat. „Die Kliniken in Münster haben im Vergleich zu allen anderen Krankenhäusern in Westfalen-Lippe den geringsten Anteil ausländischer Ärzte. Außerdem steht auch im niedergelassenen Bereich kein Mangel an."

Reinhardt geht zudem davon aus, dass nicht nur die Kliniken, die das Universitätsklinikum OWL bildenwerden, von der Medizin-Fakultät profitieren werden. „Die neue Fakultät wird allen Krankenhäusern Vorteile bringen", sagt Reinhardt. Diese Hoffnung hat der Allgemeinmediziner auch für seine Kollegen, die Patienten hausärztlich versorgen. „Die Medizin-Fakultät wird einen Schwerpunkt auf die Allgemeinmedizin legen, deshalb hoffe ich sehr, dass die Universität Bielefeld die niedergelassenen Ärzte künftig enger einbinden wird. Das ist auch der Auftrag der NRW-Landesregierung."

Bedeutung für die Universität Bielefeld

„Die Universität Bielefeld hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert und vor allem in der Robotik und anderen technischen Bereichen Alleinstellungsmerkmale entwickelt, von der die Medizin-Fakultät enorm profitieren wird", erklärt Reinhardt. „Das gilt vor allem für die Forschung, die aktuell sehr technisch geprägt ist." Auch von der Pionierarbeit der Bielefelder Gesundheitswissenschaftler wird die Medizin-Fakultät laut Reinhardt profitieren. „Die Arbeit der Fakultäten wird sich gegenseitig befruchten. Eine Entwicklung, die die gesamte Universität weiter nach vorne bringen wird."

Mit der Medizin-Fakultät bekommt die Universität laut Reinhardt nun die Gelegenheit weitere Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln. Großes Potenzial sieht der Allgemeinmediziner in der Versorgungsforschung, die in Deutschland lange Jahre vernachlässigt wurde. „Mit dem Forschungsprofil Medizin für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen kann die Fakultät neue Maßstäbe setzen, weil die Region in diesem Bereich mit den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel bereits einzigartige Arbeit leistet."

Chancen für den Standort OWL

Die Entscheidung der NRW-Landesregierung, eine Medizin-Fakultät an der Universität Bielefeld aufzubauen, ist für Reinhardt auch eine wirtschaftlich kluge Entscheidung für das Land. „OWL ist ein starker Wirtschaftsstandort, der durch die Medizin-Fakultät weiter gestärkt wird. Davon profitieren alle, denn bereits jetzt ist das Steueraufkommen in OWL auf einem hohen Niveau", sagt Reinhardt. „Für Unternehmen wird das Anwerben qualifizierter Fachkräfte immer schwieriger, weshalb Faktoren wie die medizinische Versorgung bei der Suche nach neuen Arbeitgebern eine immer größere Rolle spielen."

Auch die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschulen, die nach Reinhardts Einschätzung bereits jetzt vor allem im Gesundheitssektor gut funktioniert, werde profitieren. „In OWL entwickeln bereits jetzt viele Unternehmen innovative Lösungen für eine Verbesserung der Patientenversorgung. Mit der neuen medizinischen Fakultät wird hier weiteres Potenzial entstehen."

(Text: Carolin Nieder-Entgelmeier, Foto: Gregor Fischer/dpa; 191127_NW_Welche_Auswirkungen_die_neue_Medizin-Fakultät_auf_ganz_OWL_haben_wird)